
Immer mehr wissenschaftliche Daten weisen darauf hin, dass Umweltfaktoren am Anfang des Lebens langfristig die Gesundheit eines Menschen bestimmen. Man spricht von der Wissenschaft der frühkindlichen Prägung (engl. Early Life Programming; ELP).
Das Konzept der Wissenschaft der frühkindlichen Prägung (engl. Early Life Programming) geht bis auf den Biologen Jean-Baptiste de Lamarck zurück, der von einer "Vererbung erworbener Eigenschaften" sprach [1]. Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde von dem Mediziner Günter Dörner an der Berliner Charity der Begriff der "Perinatalen Programmierung" entwickelt [2;3;4]. Zwanzig Jahre später bezog der englische Kinderarzt Alan Lucas die Ernährung mit ein und prägte den Begriff "Nutritional Programming" [5]. |
![]() Abbildung 1: E. Margaret Burnside (1877-1963), Hertfordshire's First Lady Inspector of Midwifes. |
"Die Wissenschaft der frühkindlichen Prägung sieht sich als ganzheitlichen Ansatz."
Abbildung 2: Die Wissenschaft der frühkindlichen Prägung ist ein ganzheitlicher Ansatz, der möglichst alle Einflussfaktoren berücksichtigt, mit denen ein Mensch bereits im frühen Leben konfrontiert wird. Der Ernährung während der ersten 1.000 Lebenstage eines Menschen kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu.
Mit besonderem Hinblick auf eine pränatale Unterversorgung wurde dieses Konzept von David Barker ("The Barker Theory") weiter verbreitet [6]. Er erforschte das von der Hebamme Ethel Margaret Burnside in der englischen Grafschaft Hertfordshire eingeführte Geburtsregister, in dem das Gewicht aller ab 1911 geborenen Kinder verzeichnet wurde und verglich diese Daten mit den Todesursachen der in dieser Grafschaft verbliebenen Menschen. So konnte er beispielsweise zeigen, dass ein Mann mit einem Geburtsgewicht unter fünf Pfund ein höheres Risiko hat, später an Herzinfarkt zu sterben. Ein niedriges Geburtsgewicht erhöhte außerdem die statistische Wahrscheinlichkeit für Übergewicht, Bluthochdruck, Schlaganfall und Diabetes mellitus.
Mittlerweile liegen immer mehr wissenschaftliche Belege vor, die einen engen Zusammenhang zwischen Umweltfaktoren und Ernährung nach der Geburt auf der einen Seite und einer langfristigen Gesundheit und Leistungsfähigkeit im Erwachsenenalter, bis hin ins hohe Alter, auf der anderen Seite nachweisen [7;8]. Danach basiert das Erscheinungsbild eines Menschen wesentlich weniger auf seiner vererbten DNA-Sequenz, sondern scheint über epigenetische Transmissionen (griech. "ep" = zusätzlich) an seine Nachkommen übertragen zu werden [9], also über Mechanismen, die mit der "Nutzung" seiner Gene zu tun haben.
Die Wissenschaft der frühkindlichen Prägung sieht sich als ganzheitlichen Ansatz, der nicht auf einzelne "magische" Faktoren oder Nährstoffe fokussiert ist, sondern Zusammenhänge zwischen verschiedenen Forschungsrichtungen und -ergebnissen herstellt. In diesem Ansatz spielt die Ernährung eine wichtige, wenn auch nicht die einzige Rolle. Auch andere Faktoren, wie die Lebensweise der Familie sowie Umweltfaktoren, wie Schadstoffe, Medikamente und Stress, können in einem frühen Stadium einen gravierenden Einfluss auf die spätere Entwicklung von Gesundheit und Krankheit ausüben (s. Abb. 2).
Abbildung 3: Vorhergesagter demografischer Wandel in der EU von 2008 bis 2060 für Frauen und Männer. Im Vergleich zu 2008 wird der Anteil an Rentnern über 65 Jahren drastisch ansteigen, während der Anteil an arbeitender Bevölkerung in gleicher Weise abnimmt [11].
Die Forschung hat dabei die wichtige Aufgabe zu verstehen, welche Umstände und Nährstoffe einen optimalen Start ins Leben unterstützen. Wenn das gelingt, wäre dies eine große Chance, Gesundheit und Wohlbefinden zu steigern, Kosten für das Gesundheitssystem zu reduzieren und Produktivität und Wohlstand unserer Gesellschaft zu erhöhen. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft wichtig[10].
Diese wird sich aufgrund der Zunahme älterer Menschen sowie niedriger Geburtenraten bis 2060 wesentlich verändern [11]. Es wird vorausgesagt, dass in Europa der Anteil der arbeitenden Bevölkerung im Alter zwischen 16 und 65 Jahren stark abnimmt, der Anteil an Ruheständlern über 65 Jahren dagegen stark zunimmt (s. Abb. 3). Dadurch verringert sich der Anteil von arbeitender Bevölkerung zu Ruheständlern von heute 4:1 auf dramatische Weise auf 2:1 im Jahre 2060.
Deshalb ist es schon heute wichtig, nicht nur die Lebensspanne der Menschheit zu verlängern, sondern auch deren Anzahl an gesunden und produktiven Jahren zu erhöhen sowie die Last der altersbedingten Volkskrankheiten zu verringern [10].
Quellen
1. Lamarck, J. Philosophie Zoologique, ou exposition des Considérations relatives á l'histoire naturelle des Animaux; Á la diversité de leur organisation et des faculés qu'ils en obtiennent. Dentu et l'Auteur, Paris 1809
2. Dörner G. Perinatal hormone levels and brain organization. In: Anatomical neuroendocrinology. Stumpf W, Grant LD. Karger 1975 Basel, 245-52
3. Dörner, G. Problems and terminology of functional teratology. Acta Biol Med Ger 1975;34:1093-5
4. Dörner G. Hormones and brain differentiation. In: Elsevier 1976 Amsterdam, New York
5. Lucas A. Programming by early nutrition in man. In: The childhood environment and adult disease. Ciba Foundation Symposium 156. Foundation Ciba. 1991 Wiley, Chichester, 38-55
6. Hales, C., Barker, D. Type 2 (non-insulin-dependent) diabetes mellitus: the thrifty phenotype hypothesis. Diabetologia 1992;35:595-601
7. Koletzko, B. Early nutrition and its later consequences: new opportunities. Adv Exp Med Biol 2005;569:1-12
8. Koletzko B, Decsi T, Molnar D, de la Hunty A. Early nutrition programming and health outcomes in later life: obesity and beyond. In: Springer 2009
9. Plagemann A, Dudenhausen JW. Ernährung und frühe kindliche Prägung. In: Ernährungsbericht 2008. DGE . Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. 2008 Bonn, 271-300
10. Koletzko, B., Symonds, M., Olsen, S. Programming research: where are we and where do we go from here?. Am J Clin Nutr 2011;94:2036S-2043S
11. EC-Commission, Commission staff working document. Demography report 2008: meeting social needs in an ageing society. Brussels, Belgium: SEC. 2008

Die spezifischen Stoffwechselprozesse eines Menschen werden schon früh im Leben geprägt. Der Körper beginnt zu lernen, wie er Nahrungsmittel verstoffwechselt bzw. nutzt.
Dies beginnt bereits im Mutterleib und setzt sich von der ersten Fütterung, über die Beikost und Kleinkindernährung bis ins Erwachsenenalter fort. Stillen spielt hier eine ganz besondere Rolle. Als Stoffwechsel oder Metabolismus bezeichnet man die Gesamtheit aller lebenserhaltenden chemischen Prozesse im Menschen. Diese Prozesse ermöglichen dem Körper zu wachsen, sich fortzupflanzen, seine Struktur zu erhalten und auf Herausforderungen der Umwelt zu reagieren.
Diese spezifischen Stoffwechselprozesse werden schon früh im Leben geprägt. Der Körper beginnt zu lernen, wie er Nahrungsmittel verstoffwechselt bzw. nutzt, von der ersten Fütterung an über die Beikost, Kleinkindernährung bis ins Erwachsenenalter. Die Struktur der Nährstoffe, die der Körper erhält, beispielweise die Lipidstruktur in Säuglingsnahrung, kann dabei von hoher Bedeutung sein, weil sie den Körper prägt, wie er diese Nährstoffe für Wachstum und Entwicklung verdaut, absorbiert und nutzt.
Ein bekanntes Beispiel für metabolische Prägung bzw. den dauerhaften Einfluss der frühen Ernährung stammt aus dem Tierreich und ist das Modell der Bienenkönigin [1]: Arbeiterbienen und Bienenkönigin verfügen über dieselben Gene, aber über unterschiedliche phänomenologische Erscheinung und unterschiedliche epigenetische Prägung. Ein weiblicher Bienenembryo wird zu einer Königin, wenn sie als Larve länger als drei Tage Gel�e royale bekommt, den Futtersaft der Arbeiterbienen (s. Abb. 1). Gel�e royale enthält ein bestimmtes Eiweiß (Royalactin), das bei Bienen unter anderem die Körpergröße erhöht und die Entwicklungszeit verkürzt.
Abbildung 1: Beispiel für metabolische Prägung durch die Ernährung. Genetisch identische Bienenembryos, die unterschiedlich viel und lang mit Gel�e royale gefüttert wurden, entwickeln sich auch phänotypisch unterschiedlich: sie werden Arbeiterbiene oder Bienenkönigin; nach: [1]
Pränatale Prägung
Die Entwicklung des Kindes in utero wird, neben anderen wie beispielsweise genetischen Faktoren, entscheidend vom Ernährungszustand der Schwangeren mitbestimmt [2].
Historischer Beleg für die Auswirkung eines frühen Nahrungsmangels auf die Gesundheit im Erwachsenenalter bietet die Untersuchung des �holländischen Hungerwinters" 1944/45. Während des �holländischen Hungerwinters" zeigten die Kinder von Müttern, die sich während der deutschen Belagerung im ersten oder zweiten Trimester ihrer Schwangerschaft befanden und somit in der frühen Schwangerschaft extrem unterernährt waren, im jungen Erwachsenenalter eine erhöhte Adipositasprävalenz [3].
In den zurückliegenden 20 bis 30 Jahren kam es in den westlichen Industriestaaten zu einem, im Verlauf der Evolution des Menschen, einzigartigen Anstieg des mittleren Geburtsgewichts. Beispielsweise ist es in den neuen Bundesländern pro Dekade zu einem Anstieg der mittleren Geburtsgewichte von bis zu 126g gekommen [4]. Hierfür scheint weniger ein akzeleriertes Wachstum als vielmehr eine vermehrte Fettakkumulation beim Neugeborenen verantwortlich zu sein [4;5;6].
Da es in einem so kurzen Zeitraum nicht zu einer wesentlichen Veränderung des Genpools in der Bevölkerung gekommen sein kann, sodass genetische Faktoren diesen Geburtsgewichtsanstieg erklären könnten, müssen nicht genetische Ursachen, beispielsweise das Intrauterinmilieu, hierfür verantwortlich sein. Dies zeigt eindrucksvoll eine britische Studie mit Kindern, die durch "Leihmütter" ausgetragen wurden [7]. Hier zeigte sich, dass das Geburtsgewicht des Kindes stärker mit dem Body-Mass-Index der Leihmutter korrelierte als mit dem Gewicht der biologischen Mutter (s. Abb. 2).
Abbildung 2: Korrelation zwischen Körpergewicht der "Leihmütter" und dem Geburtsgewicht der Kinder (r=0,35; p<0,003). Die Korrelation zwischen dem Körpergewicht der biologischen Mütter und dem Geburtsgewicht der Kinder war nicht signifikant (r=0,15; p<0,12) [7].
Als Ursache kommt hierfür der Ernährungszustand der Schwangeren in Frage (s. Abb. 3). So ist das Makrosomierisiko, also das Risiko für ein Geburtsgewicht über 4.000 bis 4.500g, bei Kindern adipöser Frauen mehr als verdoppelt, bei Kindern massiv adipöser Frauen sogar mehr als verdreifacht [8]. Je mehr eine übergewichtige Frau in der Schwangerschaft zunimmt, desto höher ist der prozentuale Körperfettanteil ihres Neugeborenen [9], was auch langfristig zu Übergewicht des Kindes führen kann [10;11].
Abbildung 3: Prä- und postnatale Folgen einer erhöhten Energiezufuhr der Schwangeren für sich selbst und ihr Kind; nach: [2]
Ein bekanntes Beispiel aus dem Tierreich für metabolische Prägung bzw. den dauerhaften Einfluss der frühen Ernährung ist das Modell der Bienenkönigin [1].
Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Geburtsgewicht und Body-Mass-Index (BMI) im Erwachsenenalter [ 24 ].
Hauptgrund für die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft und dem damit verbundenen Risiko für ein Übergewicht bereits beim Neugeborenen dürfte die Energiezufuhr der Mutter während der Schwangerschaft sein. Dagegen hat eine zu geringe Energiezufuhr der Schwangeren einen vergleichsweise geringen Einfluss auf das Geburtsgewicht [12].
Adipositas während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes, GDM), Präeklampsie (Bluthochdruck während der Schwangerschaft), erhöhte Kaiserschnittrate sowie für eine erhöhte Frühgeburtenrate [8;13]. Tatsächlich hat sich die Kaiserschnittrate von Beginn der 80er bis Ende der 90erJahre mehr als verdreifacht [14]. Weiterhin zeigen neuere Untersuchungen, dass bei bis zu 20 Prozent aller Schwangeren in Deutschland ein GDM besteht [15]. Frauen, die einen GDM entwickelt haben, tragen ein zehnfach erhöhtes Risiko, später an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken [16].
Kinder diabetischer Mütter weisen wiederum deutlich erhöhte mittlere Geburtsgewichte und ein zum Teil dramatisch erhöhtes Makrosomierisiko auf [17;18;19;20;21;22]. Ursache dafür ist, dass ein erhöhter Blutzuckerspiegel der Schwangeren den des Feten erhöhen lässt, was wiederum zu einem Anstieg des fetalen Insulinspiegels führt. Dieser fetale Hyperinsulinismus wiederum ist für die vermehrte Fettzunahme in utero und damit für die Makrosomie verantwortlich; man spricht auch von einer �Zuckermast" des Ungeborenen [2].
Durch einen systematischen Review auf der Basis von 35 Studien aus 16 Ländern auf vier Kontinenten mit insgesamt 980.450 Personen wurde bestätigt, dass ein höheres Geburtsgewicht mit einem erhöhten Übergewichtsrisiko im Erwachsenenalter assoziiert ist [23]. Eine Kohortenstudie [24] mit 22.846 Probanden konnte nachweisen, dass sich das Geburtsgewicht linear positiv zum relativen Körpergewicht im Alter von 60 bis 65 Jahren verhält (s. Abb. 4).
In weiteren Studien konnte auch ein Zusammenhang zwischen Geburtsgewicht, als Indikator der vorgeburtlichen Energiezufuhr, und dem späteren Typ 2 Diabetesrisiko nachgewiesen werden. Hier zeigt sich, dass sowohl ein niedriges als auch ein hohes Geburtsgewicht zu einem um circa 40 Prozent erhöhten Risiko führen, im späteren Leben an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken [25]. Ursache hierfür scheint, im Sinne einer epigenetischen Prägung, eine perinatale Fehlprogrammierung zentralnervöser Regelsysteme von Nahrungsaufnahme, Körpergewicht und Stoffwechsel zu sein.
Prägung durch Stillen
Abbildung 5: Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen frühkindlicher Muttermilchernährung (Stillen) und dem Übergewichtsrisiko des Kindes im späteren Leben; dargestellt ist das relative Risiko (OR, odds ratio mit 95 Prozent Konfidenzintervall): kombiniert: 0,75 (0,69 - 0,82) [ 26 ].
Nicht nur die pränatale Energiezufuhr hat langfristige Folgen für die Gesundheit des Kindes und späteren Erwachsenen, sondern auch die Ernährung nach der Geburt.
Wichtigster positiver �Programmierer" in der frühkindlichen Ernährung ist die Muttermilch. Stillen ist ein wichtiger Schutzfaktor beispielweise zur Reduktion des Adipositas- und Allergierisikos in einer späteren Lebensphase. Auch die Prägung der Gehirnentwicklung wird durch Stillen beeinflusst. Die Unterstützung der Gehirnentwicklung im frühen Lebensalter ist besonders wichtig, um eine optimale psychomotorische und kognitive Funktion im späteren Lebensalter zu sichern.
Eine Reihe von Studien weist darauf hin, dass Stillen im Vergleich zur Ernährung mit Muttermilchersatzprodukten das Übergewichtsrisiko und insbesondere auch das Risiko von Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 25 bis 40 Prozent vermindern kann. So zeigte eine Metaanalyse aus 23 Studien, dass Stillen im Vergleich zu Nichtstillen im Mittel zu einer 25 prozentigen Reduktion des Risikos führt, im späteren Kindes- oder Erwachsenenalter Übergewicht zu entwickeln [26] (s. Abb. 5).
Abbildung 6: Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen Stilldauer und späterem Übergewichtsrisiko des Kindes; dargestellt sind kombinierte (gepoolte) relative Risiken (OR, odds ratios mit 95 Prozent Konfidenzintervall) für Übergewicht bei unterschiedlicher Stilldauer [27].
Eine weitere Metaanalyse konnte zeigen, dass insbesondere die Stilldauer einen starken Einfluss auf das Risiko späteren Übergewichts hat [27]. Stillen führt hiernach, bis zu einer Stilldauer von neun Monaten, zu einer Senkung des Übergewichtsrisikos im späteren Leben. Jeder Monat des Stillens reduziert das Risiko des Kindes, später Übergewicht zu entwickeln, um vier Prozent. Ab circa sieben bis neun Monaten wird ein Plateau erreicht (s. Abb. 6).
In Anbetracht der zentralen Rolle von Übergewicht bei der Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2 und kardiovaskulären Erkrankungen wäre zu erwarten, dass Stillen auch präventiv hinsichtlich dieser Krankheiten wirkt. Tatsächlich zeigen mehrere systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen, dass sowohl das Risiko für Typ-2-Diabetes als auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gemessen anhand der Indikatoren Blutdruck und Cholesterolkonzentrationen, durch Stillen positiv beeinflusst werden [28;29;30]. Tierexperimentelle Studien weisen darauf hin, dass für diese Veränderungen eine neonatal induzierte �Fehlprogrammierung" der hypothalamischen Regulation von Nahrungsaufnahme, Körpergewicht und Stoffwechsel entscheidend sein dürfte [31;32;33].
Quellen
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Damit ein Kind sich angemessen entwickeln kann, sollten Eltern bereits vor der Zeugung, aber insbesondere während Schwangerschaft, Stillzeit und den ersten Jahren nach der Geburt, jede Chance nutzen, auf eine optimale Ernährung zu achten.
Abbildung 1: Das "Zeitfenster der größtmöglichen Chancen" für eine frühkindliche Prägung: die ersten 1.000 Tage im Leben eines Kindes, von der Konzeption bis zu einem Alter von zwei Jahren. Dieses Fenster lässt sich auch weiter fassen, von einer vorkonzeptionellen Phase bis hin zu einem Alter von bis zu sechs Jahren.
Man spricht auch von dem "Zeitfenster der größtmöglichen Chancen" (engl. "window of opportunity"). Die ersten 1.000 Tage im Leben eines Kindes, von der Empfängnis bis zum Alter von zwei Jahren, gelten demnach als wichtigste Phase, in der viele epigenetische Faktoren die Chance auf spätere Gesundheit erhöhen können [1;2] . In diesem "Zeitfenster der größtmöglichen Chancen" (s. Abb. 1) beeinflusst die Ernährung von Mutter und Kind wesentlich die Entwicklung der körperlichen Organe, ihre Funktionsweise und den Stoffwechsel.
Dieses Zeitfenster lässt sich noch weiter fassen: als Zeitraum bereits vor der Konzeption bis zu einem Alter von bis zu sechs Jahren. In dieser Zeit ist davon auszugehen, wie wissenschaftliche Forschungsergebnisse nahelegen, dass die Lebensweise sowie der Ernährungs- und der Gesundheitszustand der Eltern die Qualität des Spermas und der Eizelle ebenso beeinflussen wie die embryonale Entwicklung und die Placenta. Genauso reifen der Körper und seine Stoffwechselfunktionen auch nach der Geburt und reagieren empfindlich auf Herausforderungen der Umwelt, wie beispielsweise Stress.
Da sich der Bedarf eines Säuglings im ersten Lebensjahr sowie im Verlauf des Kleinkindalters permanent ändert, sollte eine optimale Ernährung immer der entsprechenden Lebensphase des Kindes angepasst sein. Ein suboptimaler Ernährungsstatus der Mutter, präkonzeptionell und während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie eine suboptimale Ernährung des Säuglings und Kleinkinds, kann, je nach Schweregrad, einen signifikanten und langfristigen Effekt auf die Entwicklung des Immunsystems, des Gehirns sowie der Stoffwechselsituation haben.
Quellen
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